Ein Interview mit Pastor Ansgar Steinke nach 27 Jahren als Pastor in Flingern/Düsseltal:
Der Fragebogen, den der Schriftsteller Marcel Proust gleich zweimal ausfüllte, war um die Wende zum 20. Jahrhundert ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Statt eines Interviews spielt Pastor Steinke es in abgewandelter Form mit uns weiter.
Frage: Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Antwort: Die eingesehenen.
Frage: Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Antwort: Aktuell der ukrainische Präsident Selenskyj. Außerdem alle, die sich auf das mühsame Alltagsgeschäft der Politik einlassen. Hier besonders die Mandatsträgerinnen und -träger auf den unteren Ebenen, die sich engagieren und sich dafür viel bieten lassen müssen von rechthaberischen und oft auch bösartigen Idioten.
Frage: Ihre wichtigsten Lehrmeister?
Antwort: Das sind zwei Pfarrer und frühere Chefs von mir. Der eine ist heute 93 Jahre alt, der andere 70, beide bis heute zum Maßnehmen und Abgucken. Sie sind mir vor allem wertvolle Vorbilder in Sachen Teamarbeit, was in Wahrheit nur wenige wirklich machen und können. Mich haben zwei Dinge beeindruckt und vielleicht auch geprägt: Es gab eine klare Leitung und zugleich das wirklich gemeinsame Erarbeiten und Entwickeln von Themen und Projekten.
Einem von beiden verdanke ich übrigens den gemeinsamen „Mittagstisch“ mit den Kollegen im Seelsorgeteam und öfters auch mit Gästen, den wir anfangs dreimal und bis heute zweimal in der Woche haben. Das ist mir als Ort der Entspannung wie der gegenseitigen Bereicherung, menschlich und oft auch inhaltlich unheimlich wertvoll. Komischerweise gibt es das außer bei meinem alten Mentor und mir sonst nirgendwo sonst im Bistum, soweit ich weiß.
Frage: Ihre Lieblingskomponisten?
Antwort: Keine. Außer extremem Heavy-Metal und Zwölftonmusik mag ich fast alles.
Frage: Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten?
Antwort: Zuverlässigkeit.
Frage: Ihre erfreulichsten beruflichen Überraschungen im letzten Jahr?
Antwort: Die Gottesdienste an Ostern. Sie waren durchgängig überraschend voll. Die feiernde Gemeinde blieb zudem nicht in den Bänken, sondern machte die Bewegung im Kirchraum mit. Das fing schon mit dem Osterfeuer und dem gemeinsamen Einzug in die Kirche an. Immer wieder neu angenehm überrascht bin ich bereits seit einigen Jahren auch von der positiven Reaktion der Kommunioneltern auf unsere Art, die Erstkommunion ihrer Kinder so intensiv auch mit ihnen als Eltern vorzubereiten. Das ist etwas ganz Schönes.
Keine Überraschung, aber sehr erfreulich war auch, dass unser Pastoralteam mit Herrn Kalff endlich wieder vollständig wurde.
Nicht viele große Überraschungen eigentlich, aber im Rückblick auf die letzten 27 Jahre bin ich dann doch überrascht, wie sich ab der für mich wirklich überraschenden Versetzung nach Düsseldorf Flingern immer wieder zeigt: Der liebe Gott tut nichts als fügen.
Frage: Ihre erfreulichste Überraschung privat?
Antwort: Wenn sich zu den sonntäglichen Mittagessen mit meiner Mutter mein Bruder aus München dazugesellt. Das geschieht manchmal tatsächlich überraschend.
Frage: Ihre Lieblingstugend?
Antwort: Verlässlichkeit, Treue
Frage: Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Antwort: Nichtstun, faul sein. Das heißt für mich: lange schlafen, keinen Termin haben, keine Verpflichtung, kein auf die Uhr Gucken. Ich kann tun, was ich möchte, einfach in den Tag leben. Was ich dann konkret mache, ist fast egal …
Frage: Ihr Hauptcharakterzug?
Antwort: Zufrieden und – hoffe ich – verlässlich.
Frage: Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
Antwort: Außer Verlässlichkeit? Dass ich bei ihnen unzensiert sprechen und alles zeigen kann, was mich beschäftigt.
Frage: Ihre größte Schwäche?
Antwort: Ein scharfer Blick für Fehler, bei anderen wie bei mir selbst. Ich bin ziemlich pingelig.
Frage: Ihre Lieblingsfarbe?
Antwort: Orange
Frage: Ihre Lieblingsblume?
Antwort: Rosa Rosen, wie sie im Garten meines Elternhauses standen.
Frage: Ihr Lieblingstier?
Antwort: Hunde. Ich habe zwar selbst keinen, erlebe sie aber bei Leuten, die einen haben, als leicht zugänglich, mit einem guten Gespür für Nähe und Distanz. Hunde sind für mich einfach angenehme, freundliche Tiere.
Frage: Ihr/e Lieblingsschriftsteller/in?
Antwort: Das wechselt. Gerne habe ich einige Bücher von Michael Köhlmeier gelesen. Ich bin ein Fan von Stefan Zweig. Hanns Josef Ortheil, Benedict Wells, Juli Zeh mag ich auch. Thomas Mann finde ich wunderbar, Feuchtwanger …
Frage: Ihre Heldinnen oder Helden in der Wirklichkeit?
Antwort: Eltern. Die erlebe ich zwar nur vom Zugucken bei Freunden oder etwa als Taufeltern in der Gemeinde, trotzdem bewundere ich deren oft vollkommen rückhaltloses Engagement für ihre Kinder. Natürlich mit vielen Freuden, aber auch Sorgen, was alles schiefgehen kann. Und mit dem Wissen, wie sehr die Zukunft ihrer Kinder von ihnen als Eltern geprägt wird. Was für eine Verantwortung! Eltern finde ich bewundernswert.
Ich denke dabei auch an meine eigenen Eltern. Meine Mutter hatte noch fünf Geschwister, deren Lebensgeschichten mir nach und nach, oft erst spät, erzählt wurden. Wie sie sich nach Krieg und Flucht, belastet mit wirklichen Traumatisierungen, doch mit ihren jeweils individuellen Überlebenstechniken wieder aufgerappelt haben, bewundere ich sehr.
Frage: Welche Erfindung schätzen Sie am meisten?
Antwort: Die Entwicklung von wichtigen Medikamenten. Das bedeutet einen riesigen Sprung weg von der Sterblichkeit durch Kleinigkeiten wie z.B. Entzündungen. Dagegen bin ich ein Verächter der Digitalisierung. Dafür zahlen wir menschlich und zwischenmenschlich nach meiner Überzeugung einen zu hohen Preis.
Frage: Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Antwort: Davon habe ich eigentlich genug. Und mit fehlenden Gaben, wie z.B. meiner Unsportlichkeit kann ich gut leben.
Frage: Ihre gegenwärtige Verfassung?
Antwort: Müde und erschöpft von der beruflichen Doppelbelastung der letzten Monate. Anfang Mai wird in Derendorf bekannt gegeben, wer am 1. September die Pfarrei dort übernehmen wird. Dann endet meine Tätigkeit dort. Sie hat viel Kraft gekostet.
Frage: Ihr größter beruflicher Wunsch für das kommende Jahr?
Antwort: Der geht zunächst ebenfalls in den Nachbarbereich Derendorf. Ich wünsche mir, dass der neue Kollege sich dann gut eingearbeitet hat und eine gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit möglich wird. Wir müssen dann in unseren Gremien, also Pfarrgemeinderäten und Kirchenvorständen, schauen, wo es Sinn macht zu kooperieren und inhaltliche Ideen zu teilen, und wo es mehr Sinn macht, in guter Abstimmung miteinander, den jeweils eigenen Weg der Pastoral fortzusetzen. Für 2025 wünsche ich mir natürlich sehr, dass wir hier weiterhin genug Leute für die ehrenamtliche Arbeit, besonders auch in den dann neu zu wählenden Gremien finden.
Frage: Ihre berufliche Perspektive?
Antwort: Ich bin jetzt fast 64. So langsam komme ich hier auf die Zielgerade. Wie es aussieht, bin ich ganz sicher noch die nächsten drei, vier Jahre als Pastor hier. Für die Zeit danach, bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2030, gibt es noch keine Festlegung.
Frage: Was hätten Sie gern früher gewusst?
Antwort: Nichts. Ich bin gut mit Überraschungen. Wie es gekommen ist, war es fast immer gut.
Die Antworten von Pastor Steinke notierte Agathe Schüren.